Hamburger IT-Strategietage

Deutsche Bank: Operation am offenen Herzen

08.02.2013
Von 
Thomas Pelkmann ist freier Journalist in München.
Jan-Gerold Winter verglich die Veränderungen im Kernbanksystem mit einer "Operation am offenen Herzen bei vollem Bewusstsein".
Jan-Gerold Winter, Managing Director & Head of PBC Germany IT bei der Deutschen Bank, sprach auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Jan-Gerold Winter, Managing Director & Head of PBC Germany IT bei der Deutschen Bank, sprach auf den Hamburger IT-Strategietagen.
Foto: Foto Vogt

Eine IT-Strategie, die keine Business-Strategie ist, wird scheitern, meint Jan-Gerold Winter, bei der Deutschen Bank Managing Director & Head of PBC Germany IT, bei seinem Bericht über die Veränderungen im Kernbanksystem seines Unternehmens. Die verglich der Manager auf den Hamburger IT-Strategietagen mit einer „Operation am offenen Herzen bei vollem Bewusstsein".

Nach den Übernahmen von Postbank und des ehemaligen Quelle-Geldhauses Noris gab es im Rahmen der Deutsche Bank-Strategie 2015+ die Anforderung, eine gemeinsame IT- und Services-Plattform über alle drei Geldinstitute zu schaffen. Eine zentrale Rolle in der visionären Strategie spielen dabei fünf „C": Clients, Competencies, Capital, Costs und Culture, um das gesamte Privat- und Geschäftskundengeschäft von Deutscher Bank und angeschlossener Geldhäuser neu zu strukturieren.

Angesichts der vorhandenen Kernbanksysteme der drei Ursprungsbanken ist das ein riesiges Projekt, das nicht schon bei der vorangegangenen Akquise der Geldhäuser bewältigt werden konnte. Statt einheitliche gestalteter waren dort über die Jahre gewachsene dezidierte – und teure – Systeme im Einsatz.

Einer der Hauptgründe für das eigentlich überholte Festhalten an überkommenen Strukturen war nach den Worten von Jan-Gerold Winter der fehlende Business Case: „Wer für eine Revision der Kernsysteme nur auf die Kosten schaut, der wird scheitern", so der Deutsche Bankdirektor.

So reifte bei dem Bankhaus – nach Bilanzsumme und Mitarbeiterzahl die Nummer eins in Deutschland – die Einsicht, dass die Vereinheitlichung des Kernbanksystems keine Sache allein für die IT sein konnte. Vielmehr waren dafür nach den Worten ihres Direktors „fundamentale Änderungen im Business-Modell" des Unternehmens nötig. Diese Fundamentalrevision läuft unter dem Projektnamen „Magellan" nun seit einigen Monaten.

„Es ist eine Herztransplantation bei vollem Bewusstsein des Patienten", beschreibt Jan-Gerold Winter die Brisanz dieser Aktionen. „Wir beginnen mit dem Umbau im Herzen der Bank – dem Privat- und Geschäftskundenbereich – entnehmen dort die IT und setzen eine neue ein." Raum und Zeit, um die neuen Systeme in aller Ruhe zu testen, gab es nicht. Und keine Alternativen: Die Ansage, bei laufendem Geschäft und anhaltendem Wachstum die Plattform von individueller Prägung auf Standardsoftware umzubauen, war verbindlich. Nur so, hieß es, seien die ehrgeizigen Ziel von 2015+ zu erreichen.

Längst kein IT-Projekt mehr

"Banken brauchen fundamentale Veränderungen, und das geht nur mit Standardanwendungen", sagt Jan-Gerold Winter.
"Banken brauchen fundamentale Veränderungen, und das geht nur mit Standardanwendungen", sagt Jan-Gerold Winter.
Foto: Foto Vogt

Herausgekommen ist ein IT-Projekt mit Milliarden-Budget, das schon aufgrund seiner schieren Größe längst kein IT-Projekt mehr ist, sondern ein Kernprojekt der gesamten Deutschen Bank. Im Zentrum des Projekts stand die Einführung der Standardsoftware Banking 8.0 von SAP, sozusagen das neue Herz im Bankengeschäft von Deutsche Bank, Norisbank und Postbank.

Die Hinwendung zu einem Standard zum Schaden der über die Jahre angefertigten, individuellen Bankanwendungen begründet Bankmanager Winter kategorisch: „Wer Kernbanksysteme erneuern möchte, kann das aufgrund der hohen Komplexität selber gar nicht mehr entwickeln."

Auch die Neudefinition der Prozesse und Abläufe sei nur noch mit Standardsoftware möglich, meint Winter bei seinem Vortrag in Hamburg. „Banken brauchen fundamentale Veränderungen, und das geht nur mit Standardanwendungen", so der kategorische Imperativ des IT-Managers.

Seit 1. Juli des vergangenen Jahres erfreut sich der Patient Deutsche Bank nach der Operation am offenen Herzen bester Gesundheit: Nicht weniger als fünf Millionen Sparkonten wurden zu diesem Datum umgestellt, auf einen Schlag, ohne Down-Time und Out-of-Business. Der Termin für die Umstellung stand schon eineinhalb Jahre vorher – zu einem Zeitpunkt, zu dem niemand seriös diesen Termin verbindlich hätte festlegen können. Dass das dennoch geklappt hat, hat auch mit der unbedingten Fokussierung aller Beteiligten auf diesen Termin zu tun, so Jan-Gerold Winter.

Die Fokussierung, die Einbeziehung des gesamten Unternehmens in dieses für die IT-Abteilung viel zu großen Projekt und die Vernetzung mit wichtigen Partnern in und außerhalb der Bank sowie die immerwährende Prüfung der gefassten Beschlüsse und der definierten Milestones: Das sind nach Überzeugung des Bankmanagers in der Summe die entscheidenden Faktoren für das gelungene Projekt.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.de. (mhr)