Tagung des Münchner Kreises

Neue Welt der Arbeit setzt auf kollektive Intelligenz

23.10.2013
Es gibt mehr IT und weniger Hierarchie in der neuen Arbeitswelt - und die Crowd, die kollektive Intelligenz, soll künftig der ultimative Problemlöser werden.
Professor Arnold Picot. "Erfolg der Arbeit wird sich daran messen, wie intelligent sich Wissensarbeiter vernetzen."
Professor Arnold Picot. "Erfolg der Arbeit wird sich daran messen, wie intelligent sich Wissensarbeiter vernetzen."
Foto: Picot

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf unser künftiges Arbeiten aus? Diese Frage diskutierten rund 130 Experten auf einer Konferenz des Münchner Kreises, einer gemeinnützigen übernationalen Vereinigung für Kommunikationsforschung an der Nahtstelle von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Deutschland wurden dabei gute Chancen eingeräumt. „Der Erfolg von Arbeit wird immer mehr dadurch definiert, wie kooperativ und kreativ Wissensarbeiter sind und wie intelligent sie sich vernetzen", sagte Arnold Picot, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung. IT verändere die berufliche Zusammensetzung des Arbeitsmarktes.

Kreative Berufe expandieren

Produktionsarbeiter und Bürofachkräfte, deren Tätigkeiten durch präzise definierte Routineabläufe bestimmt sind, würden zunehmend durch Maschinen ersetzt. Dagegen expandierten Berufe, die Kreativität, Umgang mit Menschen oder visuelles und räumliches Anpassungsvermögen verlangen. „Zu den Wachstumsberufen gehören gut bezahlte Manager, aber auch Niedriglohnarbeiter im Gastgewerbe, während viele von Computern verdrängte Berufe in der Mitte des Einkommensspektrums liegen. Der technologische Wandel führt somit zur Polarisierung der Arbeitswelt", gab David Dorn, Professor am Center for Monetary and Financial Studies in Madrid, zu bedenken.

Auf die Intelligenz der unbekannten Masse setzt Crowdsourcing.
Auf die Intelligenz der unbekannten Masse setzt Crowdsourcing.
Foto: Christian Mueller - Fotolia.com

Einige Aufgaben und Probleme, die für Menschen relativ einfach zu lösen sind, können derzeit jedoch selbst von moderner Technik noch nicht algorithmisch bewältigt werden. Hierzu zählen etwa Text- und Bilderkennung, das Verifizieren, Analysieren und Kategorisieren von Videoinhalten, das Schaffen von Wissen, das Verbessern und Kreieren von Produkten oder wissenschaftliche Forschung. Beim Crowdsourcing werden solche Aufgaben nun auf die Intelligenz und die Arbeitskraft einer großen Anzahl zunächst unbekannter Freiwilliger im Internet ausgelagert. „Die Unternehmen haben hierbei Zugriff auf eine Masse von Menschen, die ihnen im Unternehmen nicht zur Verfügung stehen würden. Durch Crowdsourcing entsteht jedoch auch eine Vielzahl organisatorischer und wissenschaftlicher Herausforderungen aus unterschiedlichsten Disziplinen der Informatik, wie das Schaffen von Anreizen für die Arbeiter und die Qualitätssicherung", merkte Phuoc Tran-Gia, Informatikprofessor von der Universität Würzburg, an.

Thomas Malone, Professsor an der der MIT Sloan School of Management, war der Konferenz per Livestream zugeschaltet. Er erklärte, wie das Zusammenwirken technologischer und ökonomischer Rahmenbedingungen bereits Organisationen und Unternehmen verändere. Insbesondere die ständig sinkenden Kosten der Kommunikation erlaubten einen Umbruch der Arbeitsorganisation, dessen Tragweite er mit dem demokratischen Wandel von Staaten verglich. Malone stellte ein Projekt des von ihm geleiteten Center for Collective Intelligence vor, das Lösungsvorschlägen für die drängenden Probleme des Klimawandels erarbeiten will.

Im „Climate CoLab" untersuchen Experten unterschiedlicher Wissensgebiete und Herkunft die genauso komplexen wie bedrohlichen ökologischen Herausforderungen des Klimawandels. In virtuellen Diskussionsforen, digitalen Ideenmagazinen und Computersimulationen erarbeitet hier eine Vielzahl internationaler Expertenteams gemeinsam Vorschläge. Mehrheitsabstimmungen, die Aufteilung in Lösungs- und Kontrollfunktionen sowie das Prinzip der Expertenbeurteilung erzeugten dabei eine kollektive Intelligenz, die deutlich über dem Durchschnitt der individuellen Intelligenz der Teammitglieder läge, erklärte Malone. Entsprechend hoch sei daher auch die Qualität der Handlungsempfehlungen und der Vorschläge für die politische Entscheidungsfindung.

Organisationen ohne Hierarchien?

Traditionelle, hierarchisch strukturierte Organisationen, die auf Weisung und Kontrolle basieren, sind den IT-gestützten Arbeitsformen und neuen Werthaltungen oft nicht mehr angemessen. „Die Entwicklung der Organisationen hält mit diesem Wandel der Arbeit oft nicht Schritt. Management-gesteuerte Organisationen erweisen sich als zu langsam, zu unflexibel, zu fehleranfällig", erklärte Winfried Kretschmer, Chefredakteur der Online-Plattfform changeX. Die Herausforderung läge heute darin, neue Modelle für anpassungsfähige und innovative Organisationen zu entwickeln. „Mit dem Internet entstehen neue Werkzeuge der Kooperation, die mit den alten Strukturen nicht mehr kompatibel sind und andere Formen der Kollaboration erfordern", so Kretschmer. „Flexibilisierte Arbeitszeiten, Arbeitsorte, das Zusammenwachsen von Arbeits- und Freizeit sowie zunehmend heterogene Teams verlangen überdies andere Integrationsarbeit und Koordinationsmechanismen, die auch Multikulturalität bewältigen müssen", ergänzte die Wissenschaftlerin Josephine Hofmann vom Fraunhofer IAO.