IT-Kompass: Unternehmens-IT im Fokus

Selbstbild und Fremdwahrnehmung divergieren

08.04.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Der diesjährige "IT-Kompass" spiegelt den Status quo der deutschen IT-Bereiche wider. Darüber hinaus verrät er, was die Fachbereiche von der Firmen-IT halten - und was sie von ihr erwarten.

Zum Thema digitale Innovation haben IT-Verantwortliche durchaus einiges zu sagen, aber sie werden zu selten gefragt. So lassen sich die Ergebnisse aus dem diesjährigen "IT-Kompass" zusammenfassen. Die Analysten von IDC Central Europe fragen darin in Zuammenarbeit mit der IDG-Marktforschung und im Auftrag der COMPUTERWOCHE alljährlich nach Fakten und Einschätzungen hinsichtlich der Unternehmens-IT. Die Antworten stammen traditionell von IT-Chefs sowie in diesem Jahr zum zweiten Mal auch von Fachbereichsleitern deutscher Unternehmen.

Gemeinsam mit IDC haben wir Business- und IT-Entscheider befragt. Ergebnis: Die Wahrnehmung ist unterschiedlicher denn je.
Gemeinsam mit IDC haben wir Business- und IT-Entscheider befragt. Ergebnis: Die Wahrnehmung ist unterschiedlicher denn je.
Foto: Vladmir - Fotolia.com

Details zum IT-Kompass

Jedes Jahr im Spätherbst beginnt Deutschlands umfassende IT-Anwenderbefragung, der "IT-Kompass". Jetzt liegt die aktuelle Auswertung aus dem Jahr 2015 vor - und damit bereits der fünfte "Kompass".

  • Geplant und ausgeführt wurde die Studie von der COMPUTERWOCHE, der IDG-Marktforschung und der IDC Central Europe GmbH.

  • Die Befragung wandte sich explizit an IT-Entscheider und Fachbereichsleiter aus Nicht-IT-Branchen.

  • Mit insgesamt 481 Unternehmen lag die Teilnehmerzahl deutlich höher als im Jahr zuvor (329).

  • Der Anteil der Business-Entscheider betrug diesmal 36 Prozent. Sinnvollerweise wurden nach einigen spezifischen Themen nur eine der beiden Gruppen (IT oder Business) befragt.

  • Die Stichprobe deckt im Wesentlichen die Branchen der deutschen Wirtschaft ab, wobei diskrete Fertigung und Prozessfertigung gemeinsam ein knappes Drittel stellen, Banken und Versicherungen etwa ein Fünftel.

  • Rund 77 Prozent der Teilnehmer sind als Führungskräfte zu bezeichnen.

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Grundsätzlich ist die Stimmung in der Wirtschaft demnach abwartend bis gemäßigt positiv. 31 Prozent aller Befragten empfinden die ökonomische Situation ihres Unternehmens als besser als im vergangenen Jahr, und etwa genauso viele sind optimistisch, was die Perspektiven 2015 angeht. Wie die IDC-Beraterin Sabrina Stadler anmerkt, entspricht dies etwa den Indikatoren und Prognosen "führender Wirtschaftsinstitute, die von einem leichten Aufschwung im Jahr 2015 ausgehen".

Geht es um die wirtschaftlichen Herausforderungen, die die Entscheidungsträger nennen sollen, ragt die "Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung" hervor. Auf einer Skala von 1 (sehr wichtig) bis 5 (völlig unwichtig) erhielt dieser Auswahlpunkt einen Durchschnittswert von 1,6. "Das kundenzentrierte Unternehmen wirft seine Schatten voraus", kommentiert Stadler. Die "Gewinnung von Neukunden" (2,1) landete auf dem fünften Platz - hinter "Optimierung der Geschäftsprozesse" (1,8), "Konjunkturelle Entwicklung" (1,9) sowie dem "Erreichen der Wachstums- und Gewinnziele" (2,0).

Was wird der internen IT zugetraut?

Die im Rahmen der Studie wichtigere Frage lautet allerdings, ob und inwieweit die Unternehmen ihren IT-Bereichen zutrauen, sie bei der Bewältigung der genannten Herausforderungen zu unterstützen. Ein Indiz dafür ist die Rolle, die der IT-Einsatz in der strategischen Unternehmensplanung spielt. Die am häufigsten genannte Antwort lautete: "In Einzelfällen wird die IT explizit in die strategische Unternehmensplanung eingebunden." 48 Prozent der Befragten kreuzten diese Möglichkeit an.

Deutlich weniger Studienteilnehmer als im Vorjahr identifizierten indes die IT als "Kernbestandteil der Unternehmensstrategie". Diese Option wählten im vergangenen Jahr noch 25 Prozent, heuer aber nur noch 15 Prozent der Befragten. In lediglich jedem fünften Betrieb ist die IT-Abteilung "in der Geschäftsführung vertreten und gestaltet die Unternehmensstrategie aktiv mit". Dieser Anteil ist über die vergangenen vier Jahre immer weiter gesunken.

Ungenutzte Potenziale

Gestiegen - von 14 Prozent im Jahr 2014 auf 17 Prozent im laufenden Jahr - ist dagegen der Anteil der Unternehmen, in denen die IT innerhalb der strategischen Planung "nur eine untergeordnete Rolle spielt". Wie Matthias Kraus, Research Analyst bei IDC, anmerkt, ist die strategische Einbindung der IT in der öffentlichen Verwaltung und der Fertigungsindustrie besonders schwach. Das verwundert insoweit, als sich in fertigenden Unternehmen durch die Digitalisierung (Stichwort Industrie 4.0) künftig besonders viel Potenzial aus der IT ergeben dürfte.

Matthias Kraus: "Die IT konzentriert sich noch zu viel auf den operativen Betrieb."
Matthias Kraus: "Die IT konzentriert sich noch zu viel auf den operativen Betrieb."
Foto: IDC

Ins Bild passt denn auch, dass sich in Sachen "direkter Berichtsweg" kaum etwas bewegt. Unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt sind heuer nur 68 Prozent der befragten IT-Verantwortlichen. Im vergangenen Jahr waren es 71 Prozent. Um zwei Prozentpunkte vergrößert (von 22 auf 24 Prozent) hat sich hingegen der Anteil der CIOs, die dem Finanzvorstand untergeordnet sind.

Angesichts dieser Ergebnisse nimmt es kaum wunder, dass in der IT offenbar jede Menge Potenzial brach liegt. 19 Prozent der Befragten gaben das explizit zu Protokoll. 73 Prozent sagen, dass lediglich ein Teil der Möglichkeiten ausgeschöpft werde - aber längst nicht alle. Ganze acht Prozent halten die Potenziale für "weitgehend ausgeschöpft".

Noch im vergangenen Jahr hatte es so ausgesehen, als könne die IT ihr Instrumentarium jetzt zur Entfaltung bringen: Nur elf Prozent der Teilnehmer sahen damals "viele" ungenutzte Potenziale; 16 Prozent hielten die Möglichkeiten durch den IT-Einsatz für ausgeschöpft.

IDC-Analyst Kraus stellt fest, dass IT-Abteilungen vom Management "immer noch viel zu oft" als Zulieferer betrachtet werden. Ein substanzieller Beitrag zum Geschäftserfolg werde ihnen kaum zugetraut. Erst wenn die IT als integrierter Bestandeil der Unternehmensentwicklung und als eigenständiger Produktionsfaktor angesehen werde, ließen sich die Chancen nutzen, die sich aus der "dritten Plattform" (Cloud, Mobility, Big Data Analytics und Social Business) ergäben. Allerdings sind laut Kraus auch viele IT-Abteilungen immer noch komplett mit dem operativen IT-Betrieb berschäftigt. Sie könnten ihren Fokus nur selten auf ihren Beitrag zum Erfolg des Kerngeschäfts richten.