Die Digitalisierungsstrategie von Zeiss

Zeiss gründet Kompetenzzentrum zur digitalen Transformation

30.11.2016
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Mit den Zeiss Digital Innovation Partners hat Optik- und Photonik-Spezialist Zeiss in München ein eigenes Kompetenzzentrum für die digitale Transformation ins Leben gerufen. Das Zentrum soll rund 100 Mitarbeiter beschäftigen.
Bei Zeiss soll die Digitalisierung ein Teil der Unternehmenskultur werden.
Bei Zeiss soll die Digitalisierung ein Teil der Unternehmenskultur werden.
Foto: Zeiss

Die Digitalisierung ist einer der vier Eckpunkte in der Strategie "Zeiss 2020". Um die digitale Transformation im eigenen Unternehmen voranzubringen, hat das Stiftungsunternehmen Zeiss jetzt in München mit den Zeiss Digital Innovation Partners eine eigenständige Einheit gegründet. "Unser Ziel ist es, nicht nur zwei bis drei coole Projekte zu realisieren, sondern wir wollen die Digitalisierung im gesamten Unternehmen als Kulturelement einbringen", erläutert Matthias Gohl, Head of Digital Innovations Partner, einen der Gründe für den Aufbau einer eigenen Organisation. Gemeinsam im Team mit anderen Abteilungen und Bereichen soll das Kompetenzzentrum als Innovationspartner das Thema digitale Transformation bei Zeiss voranbringen.

IT-Hotspot München

Mit der Digitalisierung will der Technologiekonzern im internationalen Wettbewerb bestehen.
Mit der Digitalisierung will der Technologiekonzern im internationalen Wettbewerb bestehen.
Foto: Zeiss

Für München entschied sich Gohl, weil er die Isarmetropole für einen der IT-Hotspots in Europa hält. Ferner sprachen die Nähe zu vielen weiteren High-tech-Unternehmen sowie der gute Ruf der Universitäten für den Standort. In München, hier arbeiten für Zeiss bereits rund 200 IT-Spezialisten der Unternehmensbereiche Medical Technology und Microscopy, will Gohl in zwei Jahren ein 100 Mitarbeiter umfassendes Team aufbauen. Mit der Gründung einer eigenen Einheit hofft Gohl die Pluspunkte eines Startups mit denen eines Traditionsunternehmens mit 170jähriger Geschichte zu vereinen: "Den Spirit, den Antrieb und die Agilität eines digitalen Start-ups mit der langfristigen Orientierung, der finanziellen Stabilität, der strategischen Weitsicht und dem Know-how eines international erfolgreichen, etablierten Unternehmens." Entsprechend zählen "speed" und "scale" zu den Grundsätzen der digitalen Transformation bei Zeiss, "denn wir wollen nicht erst in sieben Jahren erste Ergebnisse liefern", so Gohl.

Prozesse und Märkte verändern

Künftig will Zeiss auch mit seinen Daten Geld verdienen.
Künftig will Zeiss auch mit seinen Daten Geld verdienen.
Foto: Zeiss

Mit der Digitalisierung will man bei Zeiss vor allem zwei Dinge erreichen: Ein Reenginering, um bestehende Geschäftsmodelle mit digitalen Mitteln zu erweitern, zum anderen sollen per Reimaging neue Business-Modelle sowie neue Herangehensweisen für bestehende Märkte gefunden werden. Zudem ist das Unternehmen überzeugt, dass die Kunden in Zukunft weniger teure Geräte kaufen, sondern eher für die Nutzung (as a Service) bezahlen werden. Ferner will das Unternehmen künftig seine Daten nutzen, um aus ihnen einen Mehrwert zu kreieren.

Dabei kann die digitale Transformation in den unterschiedlichsten Bereichen stattfinden - etwa bei der Fertigung von Brillengläsern. Statt wie früher fertig geschliffene Gläser rund um den Globus zu transportieren, werden jetzt die Daten für das Brillenglas elektronisch transportiert. So kann dann direkt vor Ort das Brillenglas geschliffen werden. Eine andere Idee ist etwa die Vernetzung aller Diagnostikgeräte eines Augenarztes, um so den Verlauf einer Erkrankung schneller und gezielter zu erkennen. Und in der Fertigung, Zeiss ist einer der Spezialisten für Messtechnik, werden etwa die Informationen des Qualitätsdaten-Management-Systems PiWeb vernetzt, um die Qualität über mehrere Standorte hinweg zu vergleichen und beeinflussende Faktoren schneller zu erkennen. Ein anderer Aspekt ist die bessere Kundenansprache per Customer Interaction Portal (CIP).

AI als Chance nutzen

Software wie PiWeb hilft die Datenflut zu visualisieren.
Software wie PiWeb hilft die Datenflut zu visualisieren.
Foto: Zeiss

Doch egal um welches Projekt es auch geht, für Gohl ist eines entscheidend: "Wir müssen in der digitalen Welt schnell sein, denn sonst macht es jemand anderes." Dabei sollten wir speziell die Artifical Intelligence (AI) als Chance nutzen, denn sonst tue es Google, warnt Gohl. Zumal in der Digitalisierung die Kenntnis spezifischer Märkte nicht mehr vor Konkurrenz schütze, "denn dank AI können Wettbewerber fremde spezifische Märkte schneller verstehen als je zuvor." Gohl will deshalb künftig mit Plattformen entsprechende Themen und Märkte frühzeitig besetzen und dann Partnerschaften eingehen. Dabei betont er allerdings, dass man nicht alle Daten preisgeben werde, sondern es strategische Kontrollpunkte geben werde, an deren Besitz Zeiss festhalten werde.

Fünf Tipps zur Digitalisierung

Für andere Entscheidungsträger, die noch vor der Aufgabe Digitalisierung stehen, hat Gohl noch einige Tipps parat:

  • Digitalisierung benötigt das Commitment der obersten Entscheidungsebene, sonst funktioniert es nicht.

  • Digitalisierung muss als Chance vermittelt werden, nicht als Risiko.

  • Digitalisierung ist mehr als IT - ab die IT ist die enabling technology der Digitalisierung.

  • Digitalisierung kann nur gemeinsam mit der IT gelingen, deshalb sind Grabenkämpfe zu vermeiden.

  • Digitalisierung geht nur mit passenden und guten Leuten, die einen Mut zum Aufbruch haben.