Mehr Koordination

Industrie 4.0 muss raus aus dem Dornröschenschlaf

Kommentar  26.09.2017
Von 


Klaus Neugebauer ist Inhaber von „Neugebauer Marketing. Sein Schwerpunkt liegt auf Software-Anwendungen.
Damit die vierte technische Revolution nicht sang- und klanglos verpufft, müssen die Geschäftsprozesse intelligenter vernetzt werden.

Mit der zunehmenden Digitalisierung sind wir in die vierte industrielle Revolution eingetreten. Hier nimmt die Smart Factory in Verbindung mit Big Data, Internet of Things (IoT) und Analytics unter dem Dach von Industrie 4.0 einen wichtigen Platz ein. Der betriebswirtschaftliche Sprengstoff der bisherigen Transformationen lag stets in den sich verändernden Geschäftsprozessen. Heute kann man solche Prozesse als integrative Klammer zwischen technologischen Entwicklungen und neuen Geschäftsmodellen bezeichnen. Die Aufgabe ist es nun, die Komplexität beherrschbar zu machen, um diesen Zusammenhang mit Leben zu erfüllen.

Individualisierung, Service und Erfahrungswissen

Das geschieht im Zuge von Industrie 4.0., und zwar durch Individualisierung der Produkte, durch allenthalben verbesserten Service und durch das Erfahrungswissen der Mitarbeiter. Solche Geschäftsmodelle sind mit neuen Produkten und Dienstleistungen verbunden, die immer mehr auf das Individuum zugeschnitten sind. Dazu gehören das autonome Autofahren, die neuen Dingwelten aus dem 3D-Drucker und dem, was man unter dem zukünftigen Einkaufen versteht. Hier wird nur ein quantitativ geringer Teil unserer Einkaufswelt der Vollautomatisierung ausweichen können. Statt dessen wird unsere Erlebniswelt beim Einkaufen unter dem Zeichen von Service und Qualität stehen. “All das“, so Frank Morelli von der Hochschule Pforzheim, „schafft eine noch nie dagewesene Komplexität.“ Das organisatorische Bindeglied für diese neuen Geschäftsmodelle liegt im Management der Geschäftsprozesse.

Frank Morelli ist neben seiner Tätigkeit für die Hochschule Pforzheim auch Aufsichtsrat bei der Intellior AG.
Frank Morelli ist neben seiner Tätigkeit für die Hochschule Pforzheim auch Aufsichtsrat bei der Intellior AG.
Foto: privatpriat

Verbindung durch Koordination

Nennen wir es Industrie 4.0, nennen wir es anders, der „Fensterkitt“ der Koordination wird BPM (Business Process Management) sein - oder die vierte industrielle Revolution fällt schlicht aus. Neben der Fokussierung auf das Individuum tritt die Bedeutung des Produktes, der Fetisch des Industriezeitalters, in den Hintergrund. Weniger die Produkte als vielmehr ihr Service-Management werden uns beschäftigen. Etwa bei der Wartung von Maschinen. Die klassische Lösung, die sich zwischen zwei Service-Intervallen bewegt, gilt als eher reaktiv. Eine proaktive Lösung bietet für Morelli das Conditioned Monitoring. Der Monitor ist Teil der Geschäftsprozesse zur Instandhaltung. Diese ist aber verknüpft mit den Prozessen der Arbeitsvorbereitung und dem Wissensschatz der Mitarbeiter. Verknüpfen, koordinieren, organisieren - aber wie? Diese offensichtliche und nötige Verbindung von Industrie 4.0 und BPM befindet sich zurzeit noch im Dornröschenschlaf. Man hat hier ein Zaubertool in der Hand und bedient sich seiner noch viel zu wenig.