Netzwerk-Betriebssysteme/Firmengruppe Stihl stellt auf LAN Server 4.0 um Zielgerichteter Weg zu hoeherer Performance und mehr Kontrolle

05.05.1995

Beim Motorsaegen- und Geraetehersteller Stihl hat man sich entschieden, die dort vorhandenen rund 50 PC-Server mit der neuen Advanced-Version des "IBM LAN Server" auszustatten. Bernhard Steppan* beschreibt die Gruende fuer den Wechsel zur Version 4.0, die kuenftig das, wenn man so will, LAN-Rueckgrat des schwaebischen Mittelstaendlers bilden soll.

Wenn abends die meisten Beschaeftigen der Firma Stihl schon zu Hause sind, geht fuer Thomas Bernecker, Spezialist in der Abteilung Netzwerke und Betriebssysteme, die Arbeit haeufig erst richtig los. Nach 18 Uhr sind im Stammhaus des weltweit bekannten Motorgeraeteherstellers keine DV-Spitzenlasten mehr zu erwarten - das ist dann auch die beste Zeit, um die Komponenten der lokalen Netze auszutesten. Bei einem dieser Testlaeufe hat der LAN Server 4.0 so gut abgeschnitten, dass sich das schwaebische Traditionsunternehmen jetzt entschlossen hat, alle PC-Datei-Server mit der neuen Version des IBM-Netzwerk-Betriebssystems auszustatten.

Viel Arbeit fuer Bernecker und seine Kollegen, denn bis Mitte dieses Jahres soll der Wechsel vom LAN Server 3.0 auf 4.0 vollzogen sein. Dass danach alles wieder so reibungslos funktioniert wie bisher, wird natuerlich genauso erwartet wie die Vermeidung von Ausfallzeiten waehrend dieser Umstellung. Den entsprechenden Aufwand rechtfertigen fuer Stihl allein die Vorteile der neuen LAN-Server-Version, etwa die einfachere Verwaltung des Netzwerks mit der jetzt moeglichen DASD-Plattenlimitierung (Direct Access Storage Device) und der hoehere Datendurchsatz.

Gleichzeitig hat man in Waiblingen den sonst ueblichen Wildwuchs verschiedener Rechnersysteme, unterschiedlicher Betriebssysteme, inkompatibler Protokolle und Anwendungsprogramme eingedaemmt. Aus der Firmenmaxime "Wir haben von Beginn an auf Standards und Kontinuitaet gesetzt" (Bernecker) resultiert eine ungewoehnlich homogene DV-Landschaft: Zum einen gibt es den 9121-Host, auf dem SAP R/2 laeuft, zum anderen sind fuer den CAD-Einsatz RS-6000- und HP-Workstations mit Unix im Einsatz. Die mit Windows-PCs ausgestatteten Bueros sind ueber Token Ringe vernetzt, die via PC- Server versorgt werden. Diese wiederum werden mit dem "LAN Server Advanced" betrieben.

Stihl besitzt in Deutschland sieben Werke, die alle mit dieser LAN-Architektur arbeiten (vgl. die Abbildung). Das sogenannte Werk 1 in Waiblingen-Neustadt und das Werk 6 in Waiblingen verfuegen ueber zwei 4-Mbit/s-Token-Ringe und einen 16-Mbit/s-Ring. Die LAN- Architekturen aller anderen Werke basieren auf einer 4-Mbit/s- Token-Topologie. Die "Hauptversorgung der LANs" wird ueber Werk 1 gewaehrleistet.

Auf den rund 500 PCs von Stihl, die mit PC-DOS 6.3, Windows 3.1 und DOS-Requestern ausgestattet sind, laeuft die uebliche Buerosoftware wie die Textverarbeitung Winword und Tabellenkalkulation Excel. Fuer die Host-Emulation sorgt "Personal Communications". Alle Anwendungen werden von den Clients ueber die PC-Server geladen, wo die Software zentral installiert ist. Im Werk 1 stehen beispielsweise fuenf IBM-PC-Server fuer die Token- Ring-Topologien zur Verfuegung.

Auf diesen Maschinen wird in Zukunft der LAN Server 4.0 Advanced laufen. Dabei hat man sich in Waiblingen dafuer entschieden, einzelnen Abteilungen bestimmte Server zuzuweisen. Als Massenspeicher kommen skalierbare, ueber SCSI angeschlossene Disk- Arrays zum Einsatz. Jedes dieser Raid-Systeme verfuegt ueber einen eigenen Controller und besteht aus mehreren Festplatteneinschueben. Sie koennen als autarke Einheiten mit eigenem Netzteil und SCSI- Anschluss schubladenartig herausgezogen, separat ausgetauscht und gewartet werden. Auf diesen Raid-Systemen der PC-Server befinden sich zudem alle Anwendungen, die von den Benutzern an ihren Arbeitsplaetzen ueber das Netz geladen werden.

"Wir halten uns bei der Auslastung des LANs an die Empfehlungen der IBM und sind damit bisher sehr gut gefahren", betont Bernecker. Aus diesem Grund sei, wie der Netzexperte weiter berichtet, eine besondere Ueberwachung der Netzlast mittels Software bisher nicht notwendig gewesen. Das gesamte Netz wurde vielmehr so dimensioniert, dass Engpaesse gar nicht erst auftreten koennen.

Das Netzwerk-Management erfolgt auf Basis des "LAN-Netzwerk- Managers", als Kommunikationssoftware wird "LAN Distance" eingesetzt. So ist es dem Administrator via ISDN von zu Hause aus gestattet, sich mit seinem PS/2 in das Netz einzuloggen. Durch den Einsatz von DCAF (Distributed Console Access Facility) ist zudem eine Wartung moeglich. Diese IBM-Software fuer OS/2 erlaubt es dem Administrator unter anderem, Ereignisse im LAN zu ueberwachen. Bildschirmanzeigen und Tastatureingaben koennen kontrolliert und gesteuert werden, wodurch quasi eine Fernwartung der PCs und Server gegeben ist.

Der Wechsel zum neuen LAN Server ist der erste Schritt bei der Umstellung der PC-Server. Es ist geplant, Zug um Zug OS/2 Warp als Basis-Betriebssystem des LAN Servers einzufuehren. Auch hier liegen die Vorteile wie eine hoehere Performance und leichtere Handhabung auf der Hand. Doch bei der schwaebischen Stihl-Gruppe wird nichts ueberstuerzt; vor der endgueltigen Entscheidung zur Installation wird stets gruendlich getestet. Bernecker dazu: "Jede Komponente, die ins Netz gehen soll, wird einer harten Erprobungsphase unterzogen. Wir wollen schliesslich nicht unsere sehr niedrigen Ausfallzeiten gefaehrden." Schwaebische Gruendlichkeit eben.

Firmengruppe Stihl

Die Firmengruppe Stihl mit der Zentrale in Waiblingen wurde 1926 gegruendet und ist der weltweit groesste Hersteller von Motorsaegen. Die Produktpalette hat sich inzwischen auch auf Motorsensen, Trennschleifer, Sprueh- und Blasgeraete, Bohrmaschinen, Reinigungssysteme sowie Gartengeraete ausgedehnt. Der schwaebische Traditionsbetrieb ist mit einem eigenen Magnesiumdruckgusswerk ausserdem Zulieferer der Automobilindustrie.

Mit weltweit rund 5600 Mitarbeitern, sieben Werken in Deutschland, vier Produktionsstaetten im Ausland (zum Beispiel in Brasilien, der Schweiz und den USA) sowie 17 Vertriebsgesellschaften gehoert Stihl zu den groessten mittelstaendischen deutschen Unternehmen.

Die Gruppe setzte 1994 ueber 1,62 Milliarden Mark um, wobei auf das Stammhaus Waiblingen 806 Millionen Mark entfielen.

* Diplomingenieur Bernhard Steppan ist freier Journalist in Frankfurt am Main.