Robotic Process Automation

Softwareroboter übernehmen immer mehr Prozesse

10.07.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Robotic Process Automation (RPA) ist vergleichsweise einfach zu implementieren und verspricht einen schnellen Return on Investment (RoI). Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehmen überlegen, bestimmte Abläufe zu automatisieren. Trivial ist die Sache allerdings nicht. Es gilt genau zu überlegen, welche Prozesse man einem Softwareroboter anvertrauen kann und welche Technik sinnvoll ist.

Robotic Process Automation (RPA) könnte in den kommenden Jahren einen regelrechten Boom erfahren. Zu diesem Schluss kommen die Analysten der Information Services Group (ISG), die knapp 250 Unter­nehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt haben. Demzufolge haben 17 Prozent noch kein RPA-Projekt gestartet. Weitere 52 Prozent beschäftigen sich aktuell mit Konzepten und Pilotvorhaben. Ein knappes Drittel zählt laut ISG zu den RPA-Pionieren und hat bereits mindestens zehn Geschäftsprozesse auf robotergesteuerte Prozessautomatisierung umgestellt.

Robotic Process Automation (RPA) verspricht mehr Effizienz.
Robotic Process Automation (RPA) verspricht mehr Effizienz.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

"In den kommenden beiden Jahren kehrt sich das Bild vollständig um", prognostiziert Andreas Lüth, Partner bei ISG, Head of Robotic Process and Cognitive Automation DACH. Nur sechs Prozent der befragten Unternehmen hätten angegeben, auch bis 2020 kein eigenes RPA-Projekt beginnen zu wollen. Demgegenüber stellten sechs von zehn Unternehmen in Aussicht, in zwei Jahren bereits mindestens zehn RPA-Prozesse aufgesetzt zu haben. Über die Hälfte davon wollen bis dahin sogar mehr als 25 Geschäftsprozesse an Softwareroboter übergeben.

Einfache Implementierung

"RPA eignet sich vor allem für die Automatisierung transaktionsstarker Geschäftsabläufe, bei denen die prozessunterstützenden IT-Systeme nicht ausreichend vernetzt sind", erläutert Lüth. Mit RPA ständen den Unternehmen erstmals Technologien zur Verfügung, mit deren Hilfe sich Geschäftsprozesse automatisieren ließen, ohne die Prozesse oder die sie unterstützenden IT-Systeme anpassen zu müssen. "Im Vergleich zu klassischen Automatisierungsansätzen, die an ein Reengineering der Prozesse sowie an Anpassungen in den IT-Systemen geknüpft sind, bieten RPA-Technologien einen deutlich einfacheren Weg, um die Produktivität und Qualität eines bestehenden Geschäftsprozesses signifikant zu erhöhen", lautet das Fazit des Analysten.

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Auch wenn sich RPA auf den ersten Blick als einfach präsentiert, dürften die Unternehmen die Einführung solcher Techniken nicht auf die leichte Schulter nehmen. "Diese Technologie hat das Potenzial, sowohl den Kundenservice als auch die Geschäftsprozesse im Hintergrund zu revolutionieren", so Lüth. "Doch Unter­nehmen sollten nicht in die RPA-Falle treten. Der Einsatz sollte als strategische Business-Entscheidung behandelt werden, mit klar definierten Zielen und Maßnahmen. Sonst ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns groß."

Dumme Softwareroboter

Selbst die Anbieter warnen vor überzogenen Erwartungen an die Technik. RPA sei keine Wunderwaffe, die alle Probleme lösen könne, mahnt das auf RPA spezialisierte Unternehmen Roboyo. Wenn die Erwartungen zu hoch seien, dann werde ein RPA-Projekt zwangs­läufig in Frustration und Enttäuschung enden. Die grundlegende Einschränkung von Softwarerobotern bestehe darin, dass sie "dumm" seien. Die Technik tue genau das, wofür sie entwickelt worden sei – nicht mehr und nicht weniger.

Anwenderunternehmen planen, immer mehr Prozesse durch Softwareroboter abwickeln zu lassen.
Anwenderunternehmen planen, immer mehr Prozesse durch Softwareroboter abwickeln zu lassen.
Foto: ISG

Das bedeute unter anderem, dass nichts mehr geht, wenn Ausnahmen auftreten oder Daten fehlen. Anwender müssten deshalb darauf achten, für RPA ausgesuchte Prozesse korrekt abzubilden und sämtliche möglichen Ausnahmen zu berücksichtigen. Das bedeutet im ersten Schritt, dass Anwender die für RPA geeigneten Prozesse finden oder sich überlegen müssen, inwieweit bestehende Prozesse verändert und optimiert werden sollen. Erst danach lassen sie sich an einen Softwareroboter übergeben. Hier gilt die oft zitierte Regel: Ein schlechter Prozess bleibt auch automatisiert ein schlechter Prozess.

Die Budgets für RPA-Projekte werden in den kommenden Jahren deutlich zulegen.
Die Budgets für RPA-Projekte werden in den kommenden Jahren deutlich zulegen.

Darüber hinaus müssen sich Unternehmen genau überlegen, welche Art RPA-Technik sie an welcher Stelle einsetzen wollen. Die Palette an unterschiedlichen Lösungen wird immer breiter. Sie beginnt mit einfachen Systemen, die sich wiederholende Routineaufgaben nachahmen und beliebig oft replizieren, indem sie Anwenderinteraktionen über vorhandene Software- und Benutzerschnittstellen auto­matisiert erfassen und selbst ausführen, heißt es in einem Strategiepapier der Scheer Group.

Anwender lernen Roboter an

Das kann so weit gehen, dass Anwender lokal installierte Roboter selbst über sogenannte Record Buttons anlernen. Dabei werden die Prozessschritte aufgezeichnet, und die Software übersetzt dies in ein passendes Roboter­skript. Das funktioniert allerdings nur für Prozesse, die mit klar strukturierten Daten arbeiten und regelbasiert immer gleich ablaufen. Kommt es zu Variationen und Abweichungen, braucht es andere Lösungen.

Die meisten RPA-Vorhaben werden aus dem klassischen IT-Budget heraus finanziert.
Die meisten RPA-Vorhaben werden aus dem klassischen IT-Budget heraus finanziert.
Foto: ISG

Kognitive RPA-Lösungen könnten beispielsweise mit Hilfe künstlicher Intelligenz und hinterlegtem Experten- und Prozesswissen das Anwenderverhalten auch in komplexeren Situationen replizieren. Intelligente RPA-Systeme gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie verfügen über Lernfähigkeiten und können Prozesse weitgehend selbständig erlernen, ohne dafür vorkonfiguriert beziehungsweise mit Skripten programmiert zu sein. Dafür greifen die Lösungen auf Werkzeuge wie Musteranalysen und -erkennungsverfahren sowie neuronale Netze zurück.