Podcast Back to Office?

Darum ist Back to Office ein Irrweg

16.04.2024
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Johanna Bath wundert sich über Betriebe, die ihre Mitarbeitenden pauschal an drei Tagen in der Woche zurück in die Büros beordern. Die Wissenschaftlerin rät dazu, Organisationsentwicklung – endlich – aktiv anzugehen.
Johanna Bath, ESB Business School: "Für hybrides Arbeiten braucht man einen großen Werkzeugkoffer, nicht nur einen Hammer."
Johanna Bath, ESB Business School: "Für hybrides Arbeiten braucht man einen großen Werkzeugkoffer, nicht nur einen Hammer."
Foto: Johanna Bath

Warum verfolgen deutsche Konzerne wie SAP, Deutsche Bank und Siemens, aber auch IT-Giganten wie Amazon, Meta und Google eine rigide Back-to-Office-Strategie? Johanna Bath, Professorin für Finanzwirtschaft und Strategie an der ESB Business School in Reutlingen, kommt nach eingehender Forschung zu einem einfachen Ergebnis: Die Vorstände und Führungskräfte in solchen Unternehmen erliegen der Versuchung, komplexe Probleme mit allzu einfachen Lösungen in den Griff bekommen zu wollen.

Schwarze Schafe gab es schon immer

Sie beschäftigen sich zu wenig mit Employee Experience und Organisationsentwicklung. Die Unwissenheit über Hybrid Work ist laut Bath in vielen Management-Etagen erschreckend. In solchen Betrieben fallen dann Beschwerden des mittleren Managements über schwarze Schafe, die das Homeoffice missbrauchen, auf fruchtbaren Boden. Dabei gab es solche Probleme schon immer, auch in Firmenbüros. "Ich glaube, die meisten Menschen sind grundsätzlich leistungsbereit und am Wohlergehen ihres Unternehmen interessiert", sagt Bath, die sich auf umfangreiche Recherchen stützen kann.

Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich nicht nur im universitären Betrieb, sondern auch in ihrer Unternehmensberatung "Talentista Now" mit hybriden Arbeitsmodellen. Gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Katrin Winkler hat sie das Buch "Hybrid Work - wie Führungskräfte ihre Arbeitsorganisation für die Zukunft transformieren" herausgegeben. Eine wichtige Erkenntnis: eine dreitägige Präsenzpflicht für alle Beschäftigten ist kontraproduktiv. Unternehmen, die so vorgehen, seien nicht bereit, sich mit den Tätigkeitsprofilen im Einzelnen zu beschäftigen.

Führungskräfte machen es sich zu einfach

"Für hybrides Arbeiten braucht man einen großen Werkzeugkoffer, in dem nicht nur ein Hammer, sondern 50 verschiedene Werkzeuge sind", sagt Bath im Podcast "TechTalk - Smart Leadership" von COMPUTERWOCHE, CIO-Magazin und CSO-Online. Beispielsweise kämen die Betriebe nicht darum herum, sich genau anzusehen, wie sich das Verhalten der Mitarbeitenden durch hybride Arbeitsmodelle verändert - in der Zusammenarbeit und auch gegenüber dem Arbeitgeber. Hier komme es auch zu negativen Effekten, die nicht übersehen werden dürften.

Einen solchen Werkzeugkoffer zu entwickeln und gut einzusetzen, heiße, eine neue Employee Experience im Unternehmen zu etablieren. "Das sollte ein Leitthema sein, viele Fraktionen müssen dazu an einem Strang ziehen", rät Bath. Die Führungskräfte seien in diesem Gestaltungsprozess oft überlastet, ihnen werde die Organisationsentwicklung auf der Abteilungsebene mehr oder weniger übergestülpt.

Kommunikation neu lernen

"Mein Tipp an Führungskräfte: Sucht das Gespräch mit Euren Leuten - aus einer Haltung der Neugier heraus. Diese ganz normale Kommunikation haben wir während der Pandemie teilweise verlernt. Irgendetwas hält uns davon ab, kritische Themen im Call oder auch im Büro anzusprechen." Bath glaubt, dass den Verantwortlichen dazu die Skills fehlen und auch die Ermutigung seitens des Topmanagements. In so einem Gespräch könne viel passieren, die Bandbreite der möglichen Antworten und Verhaltensweisen sei riesig. In dieser Grauzone zu navigieren, sei eine Kernqualifikation von Führungskräften.

Auch beim IT-Einsatz in Hybrid-Work-Szenarien sieht die Wissenschaftlerin noch Raum für Verbesserungen. "Wir benutzen Microsoft Teams für Video-Calls und denken, damit hat sich das Thema Digitalisierung der Arbeitswelt erledigt. Das ist einer der größten Irrglauben überhaupt." Es sei unverständlich, dass sich viele Unternehmen mit diesem Status Quo begnügten und die Möglichkeiten anderer Technologien außer Acht ließen. Gelinge es nicht, die digitale Affinität überall im Unternehmen zu verbessern, sei auch der entscheidende Schritt in eine Daten- und KI-basierte Zukunft kaum möglich. (hv)